Unstatistik

«Eine repräsentative Erhebung hat ergeben…» So fangen viele Räubergeschichten an, die wir tagtäglich in der Presse und auf online Portalen lesen. In einer ganzen Reihe von Lehrgängen, die wir von der WBA anbieten, werden auch Statistikkenntnisse vermittelt. Es geht aber weniger darum, Statistiken zu rechnen als vielmehr, sie zu verstehen und sie in Bezug auf ihre Aussagekraft zu beurteilen. Der folgende Beitrag soll die wichtigsten Kriterien zur Beurteilung von statistischen Daten zusammenfassen.

Das Elend mit den Grundgesamtheiten

Statistische Daten beziehen sich in der Regel auf eine spezifische Zielgruppe. Wir nennen diese Zielgruppe Grundgesamtheit.

Am 12. Und 13. September führte Statista im Auftrag des Tagi eine Befragung zu den Abstimmungen vom 25. September durch. Von den 15'718 Befragten gaben 56% an, ‘ja’ oder ‘eher ja’ für die Zusatzfinanzierung der AHV zu stimmen. Wer ist grundsätzlich die Grundgesamtheit für Wahl- und Abstimmungsprognosen? Natürlich die stimm- und wahlberechtigten Schweizer. Falsch. Die Grundgesamtheit besteht nicht aus denjenigen, die abstimmen oder wählen könnten, sondern aus denjenigen, die tatsächlich abstimmen gehen. Das waren in der aktuellen Abstimmung 52.2% der Stimm- und Wahlberechtigten. Dass die Abstimmungsergebnisse mit 55.1% ja-Stimmen mit der Prognose übereinstimmen ist eher Zufall.

Die vertrackte Geschichte mit der Repräsentativität

Wir bleiben bei unserem aktuellen Beispiel. Eine Stichprobengrösse von 15'718 Personen ist beeindruckend. So viele Auskunftspersonen müssen doch ganz bestimmt ‘repräsentative’ Erhebungsergebnisse bringen. Nein, dem ist nicht so. In einer repräsentativen Stichprobe haben per definitionem alle Elemente der Grundgesamtheit dieselbe Chance in die Stichprobe zu gelangen. Diese Anforderung ist in der Praxis nie zu erfüllen. Wir müssen uns grundsätzlich und immer mit einer Annäherung an diese Anforderung begnügen. Und wenn dann die Grundgesamtheit nicht korrekt definiert und die Stichprobe nicht annähernd repräsentativ ist haben wir eine hohe Gewähr, dass aus unserer Erhebung Unsinn resultiert.

Das Kreuz mit der Erhebungsmethode

Die durch Statista durchgeführte Erhebung basiert auf einer online-Befragung. In einer online Befragung ist die in Bezug auf die Repräsentativität geforderte Chancengleichheit nicht annähernd gegeben. Es beteiligen sich eher IT affine Personengruppen. Schon allein dieser Umstand verzerrt die Ergebnisse der Erhebung. Sogar wenn die Grundgesamtheit korrekt definiert wird ist es unmöglich, im Verlauf einer online Befragung auf diese Grundgesamtheit zuzugreifen. Es ist kein Trost, dass die Ergebnisse gemäss Statista ‘nach demografischen, geografischen und politischen Variablen gewichtet’ wurden. Wenn die Befragungsmethode weder einen Zugriff auf die korrekte Grundgesamtheit noch eine repräsentative Stichprobe gewährleistet nützt die ganze Gewichterei rein gar nichts.

Der Ärger mit Korrelationen und Kausalitäten

Der pro Kopf Konsum von Margarine und die Scheidungsrate im Bundestaat Maine korrelieren weitgehend. Die Aussage dazu ist: «Wer viel Margarine isst lässt sich häufiger scheiden.» Es dürfte uns allen klar sein, dass diese Aussage völlig schwachsinnig ist. Es macht einfach keinen Sinn, dass Margarine und Scheidungen in einem Zusammenhang stehen. In diesem Fall ist es offensichtlich, dass zwischen den beiden Tatbeständen keine Kausalität besteht.

Pro Kopf Konsum von Margarine

«Je mehr Masken getragen werden, desto kleiner ist die Anzahl an Covid-Infektionen.» Das kann sein, muss aber nicht. Möglicherweise wurde der Rückgang an Covid-Infektionen auch durch andere Faktoren wie beispielsweise die Jahreszeit beeinflusst. Wir wissen es nicht. In diesem Fall kann Statistik lügen, muss aber nicht. Auf jeden Fall sind apodiktische Aussagen in Bezug auf Kausalitäten und Korrelationen mit Vorsicht zu geniessen.

Befragungstaktik, Grafiken…

Es gibt noch so viele Faktoren, die statistische Aussagen relativieren oder gar als Unsinn entlarven können. Keine Rede ist in diesem Beitrag der Einfluss von unzweckmässigen, verwirrenden oder suggestiven Fragestellungen. Keine Rede ist von der graphischen Darstellung von statistischen Daten. Wer mehr zum Thema Statistik und Befragungstaktik erfahren will kann dies im Verlauf unserer Lehrgänge tun. Wir freuen uns, wenn wir unsere Studierenden in die Lage versetzen könne, statistischen Daten mit Misstrauen und Skepsis zu begegnen.

Eine Literaturempfehlung: Bauer, Gigerenzer, Krämer, Schüller «Grüne fahren SUV und Joggen macht unsterblich», Campus Verlag 2022, ISBN 978-3-593-51608-0 (Print)

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