Seit einigen Jahren ist er in aller Munde – der partizipative Führungsstil. Er gilt als modern, zeitgemäss und mitarbeiterorientiert. Doch auch er ist keine Garantie für effiziente Arbeitsprozesse. Wo also liegen seine Stärken und seine Schwächen?
Es gibt nun einmal nicht „DAS Team“ oder „DEN Mitarbeiter“. Jedes Team, jede Abteilung ist einzigartig und besteht aus Menschen unterschiedlichster Bildungsgrade, Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Erfahrungen. Manche Menschen benötigen klare Anweisungen und fühlen sich ohne diese unsicher. Andere empfinden eine solche Form der Führung als einengend, weil sie ihnen nicht die Möglichkeit lässt, ihre eigenen Kenntnisse, Erfahrungen und Interessen einzubringen.
In diesem Sinne sind Führungsstile sind nie „gut“ oder „ schlecht“, „richtig“ oder „falsch“ – es geht vielmehr darum, welcher abhängig von der momentanen Situation und der daran beteiligten Mitarbeitenden gerade angemessen ist.
Die Psychologie identifiziert hier mittlerweile ein weites Spektrum vom autoritär/hierarchischen Führungsstil einerseits bis zum demokratischen oder sogar dem Laissez-faire-Stil andererseits – oder anders ausgedrückt: vom direktiven zum nondirektiven Ende.
Grundsätzlich gilt hier: Je direktiver ein Führungsstil ist, umso rascher kann auf aufkommende Probleme und Krisen reagiert werden. Andererseits lassen direktive Führungsstile der Kreativität des Untergebenen nur wenig bis gar keinen Raum; die gesamte Arbeitsweise wird also ausschließlich vom Führenden geprägt, von dessen Wissen und Erfahrungen. Das vernachlässigt das hohe Potenzial des Wissens und der Erfahrungen, die jeder Mitarbeitende mitbringt und verschwendet dieses.
Am gegenüberliegenden Ende des Spektrums stehen Führungsstile, die das Potenzial der Mitarbeitenden in hohem Maß einbinden. Hier sind jedoch weitaus mehr Kommunikationsvorgänge nötig. Das kann z.B. in den Phasen der Produktentwicklung oder bei der Lösung von nicht zeitabhängigen Problemstellungen von Vorteil sein. Rasche Reaktionen auf Krisen sowie eine zeitnahe Intervention sind bei diesen Stilen jedoch weitaus schwieriger.
Dementsprechend kommt es im täglichen Arbeitsprozess meist zu einer Mischung verschiedener Führungsstile je nach Situation. Eines sollte aber im Endeffekt klar sein: Führungsstile dienen in erster Linie der Förderung der Effizienz und Produktivität eines Unternehmens und nicht primär der Selbstentfaltung oder -verwirklichung der Mitarbeiter. In diesem Sinne ist der Laissez-Faire-Stil zur Führung in den meisten Fällen ungeeignet und eher als eine Art soziales Projekt zu betrachten.
Diese gehört zu den kooperativen Führungsstilen. Das Wissen und die Ressourcen jedes Mitarbeitenden werden zur Aufgabenlösung abgerufen und eingebunden. Sie entwickeln die Lösungen im Wesentlichen mit, auch wenn die Führungsperson die letztendliche Entscheidungsgewalt hat. Das setzt natürlich voraus, dass die Mitarbeitenden über diese Ressourcen auch verfügen. Der Stil eignet sich also für Teams und Abteilungen, deren Mitarbeitende über Fachwissen verfügen und bereit zur Übernahme von Verantwortung sind. Auf der Seite der Führungsperson wiederum ist eine hohe soziale Kompetenz gefragt, denn ihre Aufgabe besteht darin, zunächst den Freiraum zur Entwicklung von Lösungskonzepten durch die Mitarbeitenden zu gewähren und dann diesen Prozess effizient zu moderieren. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die eigenen Ideen zunächst zurückzustellen.
Einer der großen Vorteile dieses Führungsstils kann sich aber auch rasch ins Gegenteil verkehren: Er weist nur ein geringes hierarchisches Gefälle auf. Deshalb wird er immer wieder von Führungspersonen gewählt, die sich in einer autoritären Position mit einer direktiveren Form der Führung nicht wohl fühlen oder schlicht nicht durchsetzungsfähig sind. Hier wird der partizipative Führungsstil nicht in seinem vollen Potenzial wirksam, weil er primär zur Kompensation von Persönlichkeitsdefiziten der Führungsperson dient. Aber gerade für eher kooperative und nondirektivere Führungsmodelle wie die partizipative Führung sind Führungsstärke und die Bereitschaft dazu, diese auch einzusetzen, ein wichtiges Element. Die Mitarbeitenden müssen sehen und spüren können, dass die Führungsperson in bestimmten Phasen des Arbeitsprozesses zurücktritt, weil sie damit den kreativen Raum für die Mitarbeitenden eröffnet und nicht, weil sie nicht in der Lage ist, klare Entscheidungen zu treffen und auch umzusetzen. Nur so kann sie diesen kreativen Raum klar definieren, umgrenzen und halten. Den Mitarbeitenden wiederum gibt der auf diese Weise geschaffene und gehaltene Raum mehr Sicherheit als ein „Führungsvakuum“, in dem sie im Wesentlichen alleine gelassen werden.
Auf diese Weise fördert der partizipative Führungsstil den Selbstwert der Mitarbeitenden, deren Wissen, Erfahrungen und daraus resultierende Überlegungen als wertvoll betrachtet und in die Lösungsfindung mit einbezogen werden. Sie sind für mögliche, sie selbst betreffende Veränderungen offener, weil sie diese mit erarbeitet haben. Da die Bedürfnisse und Prioritäten aller Beteiligten angesprochen werden, kommt es zu weniger Konflikten im Arbeitsprozess.
Der feine Unterschied zwischen Laissez-faire- und partizipativer Führung ist zugleich auch die große Kunst des partizipativen Stils. Die Führungsperson ist eben nicht passiv, sondern muss ein gutes Gefühl dafür haben, wann und auf welche Weise Interventionen von ihrer Seite nötig sind, wie die verschiedenen Ressourcen, Potenziale und Meinungen der Mitarbeitenden miteinander verbunden werden können und wann es letztendlich die Entscheidung für bestimmte Lösungen zu treffen gilt. Hier ist weniger oft mehr, es gilt das Prinzip es minimalen Eingreifens – der großen Kunst, zu wissen, wie man mit so wenig Interventionen wie möglich das optimale Ergebnis erreichen kann.
Der partizipative Führungsstil stellt hohe Ansprüche an sowohl die Führungsperson als auch an die Mitarbeitenden und ist nicht in Krisensituationen geeignet, in denen rasch entschieden und schnell gehandelt werden muss – oder in Arbeitsgruppen, die nicht über die erforderlichen Fähigkeiten und Qualifikationen dafür verfügen. Überall dort jedoch, wo die Zeit und die Ressourcen für einen kreativen Entwicklungs- und Lösungsprozess vorhanden sind, stellt er eine effiziente und das Team an sich stärkende Form der Führung dar.
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